Thursday, January 26, 2006

Lenny goes multiverse in "Die Zeit"

As pointed out by Peter Woit, in today's issue the German weekly "Die Zeit" has an article on Lenny Susskind's book which manages to confuse the multiverse, cosmology and string theory. I just sent a letter to the editor which might be of wider interest so I post it here as well. Apologies to my non-german readers!


Elementarteilchenphysik hat, je nach Zaehlung, davon noch etwa 20, darunter Groessen wie die Ladung des Elektrons (die "Feinstrukturkonstante") oder seine Masse. In der grundlegenden Theorie ('theory of everything', auf Deutsch oft als 'Weltformel' beschrieben), wuerden sich diese Groessen dann erklaeren oder vorhersagen lassen.

Eine beliebte Moeglichkeit, so etwas zu bewerkstelligen, ist zu postulieren, dass diese Groessen selber Felder wie etwa die Staerke des elektrischen Feldes sind, die eben gerade hier in unserer
zeitlichen und raeumlichen Umgebung die beobachteten Werte annehmen. Wenn man diesen Schritt jedoch einmal vollzogen hat, ist natuerlich die Moeglichkeit gegeben, dass sie anderswo auch andere Werte annehmen und schon ist man bei der Idee des Multiverse.

In diesem Fall besteht eher Erklaerungsbedarf, warum uns die "Konstanten" uns so raeumlich und zeitlich konstant erscheinen. In den letzten Jahren hat es aber erste astronomische Beobachtungen (von Webb und seiner Gruppe in Princeton) gegeben, die darauf hindeuten, dass frueher in der kosmologischen Entwicklung die Feinstrukturkonstante einen anderen Wert hatte. Allerdings ist diese Beobachtung noch nicht vollstaendig gesichert.

In juengster Zeit hat es nun Hinweise gegeben, dass es nicht nur eine numerische Moeglichkeit in der Stringtheorie fuer die beobachteten Konstanten gibt, sondern moeglicher Weise sehr viele. Dass sich keine deutschen Forscher damit beschaeftigen stimmt aber nicht. Insbesondere Prof. Dieter Luest an der LMU und MPI in Muenchen ist mitfuehrend auf diesem Gebiet, selbst wenn er sich vielleicht nicht mit den vollmundigen Aeusserungen unserer amerikanischen Kollegen an die Oeffentlichkeit wendet. Und auch am Albert Einstein Institut in Golm uebersteigt die Zahl der Anhaenger der Stringtheorie die der Loopgraviation um ein Vielfaches, auch wenn Ihr Artikel einen anderen Eindruck erweckt.

Zur mangelnden Falsifizierbarkeit der Stringtheorie: Es ist hinlaenglich bekannt, dass die allgemeine Relativitaetstheorie und die Quantentheorie zwei extrem erfolgreiche und durch Experimente und Beobachtungen wieder und wieder bestaetigte Theorien sind. Erstere ist bei makroskopischen und kosmischen Distanzen, bei denen die Gravitation dominiert, relevant, die Quantentheorie im mikroskopischen Bereich der Atome und Elementarteilchen. Leider schliessen sich allgemeine Relativitaetstheorie und Quantentheorie konzeptionell und mathematisch aus, im jeweiligen Bereich der anderen Theorie haben sie bestenfalls nichts zu sagen.

Es sollte aber eine physikalische Theorie mit universellem Gueltigkeitsbereich geben und selbstverstaendlich sollte sie die beiden bekannten Theorien jeweils in Grenzfaellen grosser und kleiner Abstaende enthalten. Die Stringtheorie ist die derzeit die einzige bekannte Theorie, die diese Eigenschaft der bekannten Grenzfaelle hat. Und entsprechend stimmen Beobachtungen bei grossen Abstaenden mit ihr genauso gut ueberein wie mit der allgemeinen Relativitaetstheorie ebenso wie Experimente auf mikroskopischen Skalen mit ihr genau so gut wie mit der gewoehnlichen Quantentheorie zusammenpassen.

Insofern gibt es natuerlich viele Beobachtungen die die Stringtheorie unterstuetzen, naemlich alle die genau so die beiden Vorgaengertheorien unterstuetzen. Dies klingt wie eine Trivialitaet, aber schon dieses zu erreichen ist nicht einfach. Die Loopgravitation, die oft als Konkurrenz der Stringtheorie fuer eine solche Theorie der Quantengravitation bezeichnet wird, hat Schwierigkeiten mit der allgemeinen Relativitaetstheorie bei grossen Abstaenden uebereinzustimmen. Die Stringtheorie ist damit schon einmal staerker als die beiden Einzeltheorien, da sie deren beider Gueltigkeitsbereiche abdeckt.

Die Schwierigkeit, und darauf beziehen sich alle Vorwuerfe, die Stringtheorie sei nicht experimentell bestaetigbar, ist natuerlich Experimente zu machen, die nicht schon einfach durch einen der beiden Grenzfalltheorien abgedeckt sind, also Experimente zu finden, bei denen die Stringtheorie wirklich neue Vorhersagen macht.

Nur sehr wenige Experten zweifel daran, dass es solche Experimente ueberhaupt geben kann. Was das Problem ist, ist die praktische Umsetzbarkeit. So sind zum Beispiel die Energien, die man mit heutigen Elementarteilchenbeschleunigern erreichen kann, um Groessenordnungen zu klein, um sicher Abweichungen der Stringtheorie von ueblichen Quantentheorie zu sehen. Dass man aber bei auf absehbare Zeit unerreichbaren Energien im Prinzip solche Unterschiede sehen sollte, ist unzweifelhaft

Es bleibt die Frage der vielen Vakua: In der Stringtheorie wird die Frage der Naturkonstanten wie oben beschrieben geloest. Man haette vielleicht die Hoffnung haben koennen, dass sie nur einen moeglichen Wert fuer die Naturkonstanten erlauben wuerde, aber diese Erwartung erfuellt sich augenscheinlich nicht. Es gibt wohl doch sehr sehr viele verscheidene (und hier kommt die Zahl 10^500 ins Spiel) Moeglichkeiten dafuer. Aber diese Hoffnung waere wohl so aehnlich aussichtsreich gewesen, wie die moegliche Hoffnung eine Theorie der elektromagnetischen Strahlung zu finden (also eine Alternative zu Maxwells Gleichungen), die fuer Radiowellen nur eine moegliche Loesung zulaesst. Dann haette man aus dieser Theorie das Radioprogramm ableiten koennen. Nicht nur das von gestern und heute, auch das von morgen.

Soweit zur Physik, meinem eigenen Fachgebiet. Was das philosophische Kriterium der Falsifizierbarkeit angeht, habe ich mir sagen lassen, dass es sich spaetestens seit Thomas Kuhns "Structure of Scientific Revolutions" entabliert hat, dass es mit der Haltbarkeit dieses Lackmustests der Naturwissenschaft zumindest etwas schwieriger ist. Dazu habe ich mich erst juengst im Essay

Some philosophy and/of string theory

ausgiebig geaeussert.

Es leuchtendes Beispiel einer falsifizierbaren Theorie wird haeufig die allgemeine Relativitaetstheorie angefuehrt, von deren Richtigkeit sich die wissenschaftliche Welt ueberzeugt wurde durch die Expedition, die die Lichtablenkung waehrend einer Sonnenfinsternis bestaetigte. Es ist richtig, dass die Stringtheorie eine derartige Bestaetigung noch nicht hatte. Fuer viele praktizierende Physiker war es aber eine aehnich nichtttriviale (wenn auch hier theoretisch mathematische) Beobachting innerhalb der Stringtheorie, als vor fuenfundzwanzig Jahren Michael Green und John Schwarz zeigen konnten, dass diese, obwohl sie chiral ist, keine Anomalien hat. Edward Witten, heute der wohl einflussreichste theoretische Physiker, hat jedenfalls gesagt, dass diese Entdeckung ihn davon ueberzeugt haette, dass es mit der Stringtheorie etwas auf sich hat. Und in den daruffolgenden 25 Jahren sind noch ein lange Liste weiterer Entdeckungen und unerwarteter Konsistenzchecks aehnlicher Tragweite in der Stringtheorie gefunden worden, die wenige Physiker, die auf dem Gebiet der vereinheitlichten Theorien arbeiten, daran zweifeln lassen, dass die Stringtheorie relevant ist, selbst in Abwesenheit direkter empirischer Beobachtungen.

Update 09-02-2006
In today's issue, Die Zeit published a letter to the editor by Ralph Blumenhagen, Dieter Lüst, and Wolfgang Lerche pointing out that the existence of a large number of possible solutions of string theory (in that case heterotic compactifications) was already considered in 1987 by theorists that were not brought up in the Bronx. In addition, they point out that in their view there is no crisis of string theory. Alas!

2 comments:

Mark LaFlamme said...

Hi, Mr. Helling. I wish I could pass meaningful comments on your latest blog, but my lack of training would quickly be exposed. My name is Mark LaFlamme. I'm a crime reporter and columnist in Lewiston, Maine. Clearly, I have no business poking around sites dedicated to quantum physics. However, I've been fascinated with the field for several years now and it's a fascination that's slow to pass.
Recently, I've been searching for a credible physicist or scholar to take a look at my novel "The Pink Room," which was published last month. Briefly, the world's leading physicist attempts to use the science of string theory to bring his daughter back from the dead. Government agents and a bestselling novelist race to find out if he was succesful. Look me up if you're interested. mark@marklaflamme.com

Thanks.

Anonymous said...

Plan 9 from Outer Space -- updated!