Gleich und gleich gesellt sich gern
Wassertropfen auf einer Oberfläche, Fettaugen in der Suppe, Bläschen in der Limo (oder im Körper eines Tauchers, siehe mein anderes Blog) und eben Atomkerne, diese Phänomene haben gemeinsam, dass die Oberflächenspannung eine entscheidende Rolle spielt.
Allen ist es gemeinsam, dass es eine Substanz (Wasser, Fett, Gas, Nukleonen - also Protonen und Neutronen, die Bestandteile des Atomkerns) gibt, die es am liebsten hat, wenn sie mit sich selbst umgeben ist und nicht mit der Umgebung (Luft, Suppe - hauptsächlich Wasser, Limo oder Vakuum). In all diesen Beispielen kann sich die Substanz besser arrangieren, wenn sie von ihresgleichen umgeben ist. Eine Grenzfläche hingegen kostet Energie, die Grenzflächenenergie.
In guter Näherung ist dieser Energiekosten proportional zur Fläche dieser Grenzfläche. Wenn es schon eine Grenzfläche geben muss, ist es am günstigsten, diese möglichst klein zu halten. Da die Substanzmenge und damit ihr Volumen jeweils unveränderlich ist, stellt sich eine runde Form (Kreisscheibe oder Kugel, je nach dem ob wir es mit etwas zweidimensionalem wie Fettaugen oder dreidimensionalen wie Bläschen zu tun haben) ein, die für eben dieses Volumen die kleinste Oberfläche hat (im zweidimensionalen Fall ist entsprechend die "Oberfläche" die Randlänge, während das "Volumen" der Flächeninhalt ist).
Was passiert aber, wenn zwei Tropfen, Fettaugen, Bläschen oder Atomkerne zusammenkommen? Wenn sie sich vereinigen, ist das vereinigte Volumen so groß wie die beiden Volumina vorher zusammen. Die Oberfläche ist jedoch kleiner als die Summe der Oberflächen vorher. Daher ist weniger Grenzflächenenergie nötig, der Rest an Energie wird frei. Bei der Suppe ist das so wenig, dass man es normalerweise eben nur daran merkt, dass sich die Fettaugen zu immer größeren vereinigen, beim Atomkern ist es aber so viel (einige Megaelektronenvolt pro Kern), dass man damit ein Fusionskraftwerk oder einen Stern betreiben kann.
Die freiwerdende Energie kommt also daher, dass weniger Nukleonen eine offene Flanke zum Vakuum haben, für sie ist es günstiger direkt nebeneinander zu liegen.
Soweit das qualitative Bild. Wir können es aber auch leicht quantitativ machen: Das Tröpfchen, das aus der Vereinigung zweier kleinerer entstanden ist, muss das doppelte Volumen der Ausgangströpfchen haben. Da aber das Volumen eines dreidimensionalen Körpers mit der dritten Potenz seines Durchmessers wächst, hat das große Tröpfchen nicht den doppelten Durchmesser der kleinen Tröpfchen, sondern ist nur um den Faktor $2^{1/3}$, also um die dritte Wurzel aus 2, etwa 1,26 größer.
Die Oberfläche wächst hingegen quadratisch mit dem Durchmesser, ist also um den Faktor $2^{2/3}$, also etwa 1,59 größer. Am Anfang hatten wir jedoch zwei Tröpfchen, also auch zweimal die Oberfläche, am Ende nur noch 1,59 mal die Oberfläche eines kleinen Tröpfchens. Wir haben also die Grenzflächenenergie im Umfang von 0,41 klein-Tröpfchenoberflächen gewonnen.
Daher werden sich mit der Zeit immer mehr Tröpfchen zu wenigen großen Tropfen vereinigen, da letztere weniger Oberfläche zur Luft in der Summe haben.
Genau das gleiche ist es bei Atomkernen. Auch diese verkleinern durch Zusammenkommen die Gesamtoberfläche zum Vakuum und bei dieser Vereinigung oder Fusion wird die entsprechende Oberflächenenergie frei.
Allerdings gibt es bei Atomkernen noch weitere energetische Beiträge, die vor allem bei großen Kernen mit vielen Nukleonen wichtig werden und dafür sorgen, dass zu große Kerne zwar eine kleinere Oberfläche als die Summe der möglichen Bruchstücke haben, aber trotzdem energetisch ungünstiger sind, so dass eine energetisch günstigste Kerngröße gibt (dies ist, wenn ich mich richtig an mein Studium erinnere, der Kern des Elements Eisen).
Da ist zunächst das "Pauli-Verbot", das verhindert, dass zwei Nukleonen in genau dem gleichen Zustand im Atomkern sind. Sie müssen sich in mindestens einem Aspekt unterscheiden. Dies kann zB ihr Drehimpuls (Spin) sein oder aber ihr "Isospin", also ob sie ein Proton oder ein Neutron sind. Wenn sie aber in all diesen Aspekten übereinstimmen, müssen sie wenigstens verschiedene Energieniveaus im Kern einnehmen. Kommen weitere Nukleonen hinzu, sind die untersten Energieniveaus schon besetzt und sie müssen ein höheres einnehmen (was eben diese Energie kostet).
Innerhalb des Kerns können sich aber Neutronen und Protonen und zurück ineinander umwandeln (dies ist der beta-Zerfall), kommt also etwa ein Neutron hinzu und müsste ein hohes Neutronen-Energieniveu besetzten, kann es sich, wenn ein günstigeres Protonen-Niveau noch frei ist, in ein Proton umwandeln (es sendet dazu ein Elektron und ein Antineutrino aus, damit auch mit der Ladung alles stimmt). Hier gibt es einen Energiebeitrag der jeweils einzeln von der Protonen- und der Neutronenzahl ist und teurer wird, je größer der Kern ist.
Ein weiterer Effekt ist, dass eben die Protonen elektrisch geladen ist und die anderen Protonen abstößt. Dies benötigt auch Energie in der Gesamtenergiebilanz eines Atomkerns, die proportional zum Quadrat der Protonenzahl ist (also ungünstig für zu große Kerne ist).
Wenn man all dies zusammenzählt, sieht man, dass man bei kleinen Kernen erstmal sehr viel Grenzflächen-Energie gewinnt, wenn man diese zu einem größeren vereinigt. Ab einer mittleren Kerngr öße fangen dann die anderen Effekte an zu überwiegen und zu große Kerne sind auch wieder nicht günstig, weswegen man auf durch Kernspaltung, also die Auftrennen solcher zu großen Kerne wieder Energie gewinnen kann.
5 comments:
Gute Darstellung, selbst ohne Kernphysik studiert zu haben zu verstehen, sehr anschaulich. Vielen Dank dafür.
Sehr verständlich und flüssig geschrieben. Bin echt begeistert vom Artikel.
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